>CODE CITY: APPS AND APES, 2023
Kommunale Galerie Kreuzberg/ Friedrichshain Berlin: Projektraum Alte Feuerwehrwache
QR - Code - Bodenbemalung, Fliesenbilder, Säulen, Tonobjekte

Die Betrachter wandeln in einer Inszenierung der Zukunft, die durch langsame Übernahme der Gesellschaft durch die Künstliche Intelligenz und die Abhängigkeit von APPS and COINS geprägt ist.

Eine QR – Code - Bodenbemalung verschlüsselt das Wort Code und verbindet den Hauptraum mit dem Seitengang, der „Knochenkammer“. Dort löst sich das Labyrinth aus weißen Quadraten auf. Der Code ist wie bei einem Negativ in Umkehrung dargestellt. Das eigentlich Schwarze ist weiß und das Weiße ist der graue Boden.
Auf der codierten Landkarte sind wie bei einer archäologischen Ausgrabungsstätte Fundstücke verteilt. Die architektonischen und elektronischen Zitate unserer Zeit wie: Zerfallene griechische Säulen mit Glasfaserkabelkern, Rechentempel, Türme zu Babel, Panoptikum von Jeremy Benthen, Computer, Tastaturen sowie Gehirne, Affenhände, Herzen sind aus Ton modelliert und wirken durch die Metallglasur wie Bronzen. Sie lassen die Betrachter eine rückwärtsgewandte Perspektive auf die menschliche Geschichte einnehmen.
Am roten Faden. Heike Hamanns »Code City«.
Knut Ebeling
Heike Hamanns »Code City« ist kryptisch, sogar buchstäblich kryptisch oder kryptologisch, das heißt: Hier sind verborgene Nachrichten unterwegs, die der Besucher entschlüsseln kann. Das betrifft zuerst die geometrische Kästchenstruktur auf dem Boden, auf dem Hamanns Skulpturen und Malereien aufgebaut sind. Von oben gesehen, ergeben sie einen QR-Code – und zwar den gleichen, den man auch auf der Einladungskarte sowie auf der gekachtelten Wandtafel im Raum sieht. Es ist ein von Heike Hamann entworfener QR-Code, der einfach nur »sich selbst bedeutet«, wie sie sagt.
Der Code besagt das Wort: Code. Also sich selbst. Mit dem Titel »Code oder wie sich etwas anders schreibt« hat der Medienhistoriker Friedrich Kittler einmal die Funktion von Codes beschrieben. Codes sind eine andere Schreibung des Gleichen. Also z.B. des Wortes »Code« als QR-Code. Oder des Codes verräumlicht auf einem Boden.
Titel und QR-Code weisen auf das Thema der Ausstellung hin: Es geht um Codes und geheime Botschaften, die die Zukunft einmal von uns empfangen wird. Was wird einmal aus der Künstlichen Intelligenz geworden sein, die uns heute erfasst? Passiert gerade eine Staffelübergabe vom Menschen an die Maschine? Wird die Künstliche Intelligenz einmal auf uns blicken wie auf die niedere Spezies, aus der sie sich entwickelte und die aber nicht mehr so richtig ernst zu nehmen ist? Also so, wie wir auf Affen blicken? Werden wir in den Händen der Künstlichen Intelligenz einmal sein wie Affen in unseren Händen?
In diesem (Ausstellungs-)Raum sind auf dem QR-Code verschiedene Objekte und Plastiken verteilt. Zum Beispiel verschiedene Rechner-Gehäuse und Tastaturen aus Keramik, die Codes programmieren und dechiffrieren können, Chiparchitekturen und Überwachungsarchitekturen. Aber auch Brustkörbe als Gehäuse, die auf merkwürdige Art den Rechnergehäusen ähneln und umgekehrt: Ein seltsamer Anthropomorphismus in dem Moment, wo Rechner-Architekturen, die unserem Gehirn ähneln, die Weltgeschichte betreten. Code City – so bezeichnet Hamann die ganze Ausstellung mit ihren Türmen und ihrer Skyline, mit Rechnerarchitekturen, die nichts anderes tun als unser Gehirn nachzubauen.
Künstliche Intelligenz ist nichts anderes als dem menschlichen Gehirn nachgebaute Rechenprozesse – und zwar nicht nur zweidimensional verräumlichte Rechenprozesse, das waren schon die Chiparchitekturen von Code City. Es handelt sich um dreidimensionale Rechenprozesse, die plötzlich in die Tiefe gehen. In eine Tiefe, in der sie plötzlich so geschützt werden müssen (und von den entsprechenden Unternehmen so geschützt werden) wie das Gehirn vom menschlichen Schädel. Und so umschließen Hamanns Rechnergehäuse auch das Rechnergehirn – sie umschließen sie so wie der Schädel das Gehirn umschließt. So wie die Karkasse Herz und innere Organe umschließt.
Der Besucher findet Gehirn und Rechnergehirn der Ausstellung unscheinbar auf der linken Seite auf einem sich drehenden Teller – das einzige kinetische und sich drehende Objekt der Ausstellung. Rechner – das heißt, die primitiven Geräte, auf die die KI einmal so zurückblicken wird wie wir auf Steinzeitwerkzeuge – laufen ja auch nur, wenn sich etwas in ihnen dreht (das sind jetzt noch die Festplatten).
Bei Hamann dreht sich die Plastik eines Gehirns, ein plastisches Gehirn, über das die französische Philosophin Cathérine Malabou das Buch Was tun mit unserem Gehirn? geschrieben hat. Was bei Hamann jedoch so aussieht wie Gehirnwindungen, sind in Wirklichkeit plastische Buchstaben: die Buchstaben für Yes und No, plastisch eingeschrieben in Gehirnwindungen.
Diese Verkörperung der binären Struktur des Digitalen ist ein präziser plastischer Ausdruck für die Funktion der KI: Unsere fossilen Computer bestanden aus endlosen Befehlen zwischen Yes und No, zwischen Nullen und Einsen. Und es ist gerade der Fortschritt zur KI, diese flachen Befehlsketten durch Neuronen als Gehirnaktivität zu simulieren und ihnen dadurch Tiefe zu geben.
Porös in Ton gebrannt, sehen diese Dinge aus wie die hinterlassenen und wieder ausgegrabenen Reste einer fernen Zivilisation – unserer Zivilisation, die einmal mit Hilfe von primitiven Rechenmaschinen und Kabeln die künstliche Intelligenz erfand. Nun blickt sie auf uns zurück: Wie war das in der Zeit, in der die KI erfunden wurde? In dieser Zeit, in der diese Menschen noch glaubten, uns mit Rechnern programmieren zu können?
Heike Hamanns Ausstellung unternimmt einen Rückblick aus der Zukunft auf die Gegenwart, eine Archäologie unserer Gegenwart und ihrer KI – die verschrotteten und verbrannten Reste dessen, was schon heute unser Leben ausmacht. Diese Reste stehen nicht zufällig in der Nähe einer Schädelstätte.

Heike Hamann führt mit ihrer kryptischen plastischen Aktivität die Plastizität des Kryptischen vor, den Nachbau der Gehirnaktivität durch Rechneraktivität. Und die ist buchstäblich kryptisch: Schon heute kann kein Mensch mehr nachvollziehen, wie die Chatbots zu ihren Ergebnissen kommen. Jeder rote Faden scheint verloren, auch wenn Hamann überall bekannte Spuren unserer zukünftig gewesenen Überwachung ausstreut. Sie wirken fast tröstlich bekannt wie Benthams Panopticon, das in ihren Händen zu einem Kolosseum wird – zu dem Kolosseum, in dem der Mensch einmal von der künstlichen Intelligenz umhergetrieben werden wird. Ohne jeden roten Faden, an dem Hamanns Skelette baumeln.

>CODE CITY: APPS AND APES, 2023
Kommunale Galerie Kreuzberg/ Friedrichshain Berlin: Projektraum Alte Feuerwehrwache
QR - Code - Bodenbemalung, Fliesenbilder, Säulen, Tonobjekte

Die Betrachter wandeln in einer Inszenierung der Zukunft, die durch langsame Übernahme der Gesellschaft durch die Künstliche Intelligenz und die Abhängigkeit von APPS and COINS geprägt ist.

Eine QR – Code - Bodenbemalung verschlüsselt das Wort Code und verbindet den Hauptraum mit dem Seitengang, der „Knochenkammer“. Dort löst sich das Labyrinth aus weißen Quadraten auf. Der Code ist wie bei einem Negativ in Umkehrung dargestellt. Das eigentlich Schwarze ist weiß und das Weiße ist der graue Boden.
Auf der codierten Landkarte sind wie bei einer archäologischen Ausgrabungsstätte Fundstücke verteilt. Die architektonischen und elektronischen Zitate unserer Zeit wie: Zerfallene griechische Säulen mit Glasfaserkabelkern, Rechentempel, Türme zu Babel, Panoptikum von Jeremy Benthen, Computer, Tastaturen sowie Gehirne, Affenhände, Herzen sind aus Ton modelliert und wirken durch die Metallglasur wie Bronzen. Sie lassen die Betrachter eine rückwärtsgewandte Perspektive auf die menschliche Geschichte einnehmen.
Am roten Faden. Heike Hamanns »Code City«.
Knut Ebeling
Heike Hamanns »Code City« ist kryptisch, sogar buchstäblich kryptisch oder kryptologisch, das heißt: Hier sind verborgene Nachrichten unterwegs, die der Besucher entschlüsseln kann. Das betrifft zuerst die geometrische Kästchenstruktur auf dem Boden, auf dem Hamanns Skulpturen und Malereien aufgebaut sind. Von oben gesehen, ergeben sie einen QR-Code – und zwar den gleichen, den man auch auf der Einladungskarte sowie auf der gekachtelten Wandtafel im Raum sieht. Es ist ein von Heike Hamann entworfener QR-Code, der einfach nur »sich selbst bedeutet«, wie sie sagt.
Der Code besagt das Wort: Code. Also sich selbst. Mit dem Titel »Code oder wie sich etwas anders schreibt« hat der Medienhistoriker Friedrich Kittler einmal die Funktion von Codes beschrieben. Codes sind eine andere Schreibung des Gleichen. Also z.B. des Wortes »Code« als QR-Code. Oder des Codes verräumlicht auf einem Boden.
Titel und QR-Code weisen auf das Thema der Ausstellung hin: Es geht um Codes und geheime Botschaften, die die Zukunft einmal von uns empfangen wird. Was wird einmal aus der Künstlichen Intelligenz geworden sein, die uns heute erfasst? Passiert gerade eine Staffelübergabe vom Menschen an die Maschine? Wird die Künstliche Intelligenz einmal auf uns blicken wie auf die niedere Spezies, aus der sie sich entwickelte und die aber nicht mehr so richtig ernst zu nehmen ist? Also so, wie wir auf Affen blicken? Werden wir in den Händen der Künstlichen Intelligenz einmal sein wie Affen in unseren Händen?
In diesem (Ausstellungs-)Raum sind auf dem QR-Code verschiedene Objekte und Plastiken verteilt. Zum Beispiel verschiedene Rechner-Gehäuse und Tastaturen aus Keramik, die Codes programmieren und dechiffrieren können, Chiparchitekturen und Überwachungsarchitekturen. Aber auch Brustkörbe als Gehäuse, die auf merkwürdige Art den Rechnergehäusen ähneln und umgekehrt: Ein seltsamer Anthropomorphismus in dem Moment, wo Rechner-Architekturen, die unserem Gehirn ähneln, die Weltgeschichte betreten. Code City – so bezeichnet Hamann die ganze Ausstellung mit ihren Türmen und ihrer Skyline, mit Rechnerarchitekturen, die nichts anderes tun als unser Gehirn nachzubauen.
Künstliche Intelligenz ist nichts anderes als dem menschlichen Gehirn nachgebaute Rechenprozesse – und zwar nicht nur zweidimensional verräumlichte Rechenprozesse, das waren schon die Chiparchitekturen von Code City. Es handelt sich um dreidimensionale Rechenprozesse, die plötzlich in die Tiefe gehen. In eine Tiefe, in der sie plötzlich so geschützt werden müssen (und von den entsprechenden Unternehmen so geschützt werden) wie das Gehirn vom menschlichen Schädel. Und so umschließen Hamanns Rechnergehäuse auch das Rechnergehirn – sie umschließen sie so wie der Schädel das Gehirn umschließt. So wie die Karkasse Herz und innere Organe umschließt.
Der Besucher findet Gehirn und Rechnergehirn der Ausstellung unscheinbar auf der linken Seite auf einem sich drehenden Teller – das einzige kinetische und sich drehende Objekt der Ausstellung. Rechner – das heißt, die primitiven Geräte, auf die die KI einmal so zurückblicken wird wie wir auf Steinzeitwerkzeuge – laufen ja auch nur, wenn sich etwas in ihnen dreht (das sind jetzt noch die Festplatten).
Bei Hamann dreht sich die Plastik eines Gehirns, ein plastisches Gehirn, über das die französische Philosophin Cathérine Malabou das Buch Was tun mit unserem Gehirn? geschrieben hat. Was bei Hamann jedoch so aussieht wie Gehirnwindungen, sind in Wirklichkeit plastische Buchstaben: die Buchstaben für Yes und No, plastisch eingeschrieben in Gehirnwindungen.
Diese Verkörperung der binären Struktur des Digitalen ist ein präziser plastischer Ausdruck für die Funktion der KI: Unsere fossilen Computer bestanden aus endlosen Befehlen zwischen Yes und No, zwischen Nullen und Einsen. Und es ist gerade der Fortschritt zur KI, diese flachen Befehlsketten durch Neuronen als Gehirnaktivität zu simulieren und ihnen dadurch Tiefe zu geben.
Porös in Ton gebrannt, sehen diese Dinge aus wie die hinterlassenen und wieder ausgegrabenen Reste einer fernen Zivilisation – unserer Zivilisation, die einmal mit Hilfe von primitiven Rechenmaschinen und Kabeln die künstliche Intelligenz erfand. Nun blickt sie auf uns zurück: Wie war das in der Zeit, in der die KI erfunden wurde? In dieser Zeit, in der diese Menschen noch glaubten, uns mit Rechnern programmieren zu können?
Heike Hamanns Ausstellung unternimmt einen Rückblick aus der Zukunft auf die Gegenwart, eine Archäologie unserer Gegenwart und ihrer KI – die verschrotteten und verbrannten Reste dessen, was schon heute unser Leben ausmacht. Diese Reste stehen nicht zufällig in der Nähe einer Schädelstätte.

Heike Hamann führt mit ihrer kryptischen plastischen Aktivität die Plastizität des Kryptischen vor, den Nachbau der Gehirnaktivität durch Rechneraktivität. Und die ist buchstäblich kryptisch: Schon heute kann kein Mensch mehr nachvollziehen, wie die Chatbots zu ihren Ergebnissen kommen. Jeder rote Faden scheint verloren, auch wenn Hamann überall bekannte Spuren unserer zukünftig gewesenen Überwachung ausstreut. Sie wirken fast tröstlich bekannt wie Benthams Panopticon, das in ihren Händen zu einem Kolosseum wird – zu dem Kolosseum, in dem der Mensch einmal von der künstlichen Intelligenz umhergetrieben werden wird. Ohne jeden roten Faden, an dem Hamanns Skelette baumeln.